Weitere Stolpersteine erinnern an NS-Opfer

Verlegung und Veranstaltung am 23. Mai

Portraitfoto, Schwarz-Weiß, August Fieg
Bildquelle: Stadtarchiv

Am Dienstag, 23. Mai, verlegt der Kölner Künstler Gunter Demnig vier weitere Stolpersteine zur Erinnerung an Gernsbacher Bürgerinnen und Bürger, die in der Zeit des Dritten Reichs verfolgt und ermordet wurden. Um 14.30 Uhr findet dazu eine Gedenkveranstaltung in der Altstadt vor dem Kornhaus statt.

Aufgrund eines einstimmigen Gemeinderatsbeschlusses beteiligt sich die Stadt Gernsbach seit dem Jahr 2020 an dem Gedenkprojekt, das mittlerweile mit mehr als 94.000 verlegten Steinen in 21 Ländern Europas als größtes dezentrales Mahnmal für die Opfer der NS-Verbrechen gilt. Gemäß dem Grundsatz „ein Stein – ein Name – ein Mensch“ wird jeweils vor dem letzten frei gewählten Wohnort eine Gedenktafel aus Messing in den Bürgersteig eingelassen und so die Erinnerung an ihn lebendig erhalten.

In diesem Jahr wird es zwei neue Verlegestellen geben. In der Storrentorstraße 8/Ecke Turmgasse lebte der Bahnarbeiter August Fieg (1888–1939) mit seiner Familie. Weil er als Zeuge Jehova einige „Wachtturm“-Zeitschriften an Glaubensgeschwister in Hilpertsau, Scheuern, Ottenau und Rotenfels weitergegeben hatte, wurde er Ende 1937 vom Sondergericht in Mannheim zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt. Bei seiner vorzeitigen Entlassung wurde er im Mai 1938 von der Gestapo unmittelbar erneut festgenommen und über das Konzentrationslager Kislau (bei Bruchsal) in das KZ Buchenwald eingeliefert. Die dortige Haft überlebte er nicht, er kam im Januar 1939 um.

In der Igelbachstraße 17 hatten der Kaufmann Moritz Stern (1884–1942?), seine Frau Hedwig (1898–1944?) und ihre gemeinsame Tochter Eva (1925–1944?) ihr Zuhause. Moritz Stern war als Gemeinderat von 1919 bis 1922 maßgeblich am demokratischen Neubeginn Gernsbachs in der Weimarer Republik beteiligt. Vermutlich Ende 1925 übernahm er den Vorsitz des SPD-Ortsvereins. Im März 1933 deshalb kurzzeitig inhaftiert, waren er und seine Familie als Angehörige der jüdischen Gemeinde immer stärker Entrechtung und Verfolgung ausgesetzt. Im Zuge der Novemberpogrome 1938 wurde Moritz Stern in das KZ Dachau verschleppt, die Wohnung der Sterns zertrümmert und Tochter Eva von der Realschule verwiesen. Nachdem auch die berufliche Existenz vernichtet worden war, zog die Familie Stern im Juni 1939 gezwungenermaßen in ein „Judenhaus“ nach Stuttgart. Von dort wurden sie im Dezember 1941 nach Riga deportiert. Moritz Stern wurde wahrscheinlich im Frühjahr 1942 ermordet, die letzten Lebenszeichen von Hedwig und Eva Stern stammen von Oktober 1944 aus dem KZ Stutthof.

Die Gedenkveranstaltung vor dem Kornhaus wird von Schülerinnen und Schülern der Klasse 9b der Realschule gestaltet. Bürgermeister Julian Christ spricht zur Begrüßung, die musikalische Umrahmung übernimmt Gerold Stefan (Musikschule Murgtal) mit der Klarinette und Stücken von Giora Feidman. Die Bevölkerung ist herzlich eingeladen.