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Stadtgeschichte

Als historisches Zentrum des unteren Murgtals blickt Gernsbach auf eine lange und wechselvolle Stadtgeschichte zurück. Die Keimzelle der frühesten Besiedlung lag im Bereich der St. Jakobskirche, wo sich auch das erste Gotteshaus befand. Als Gernsbach 1219 als „Genrespach“ erstmals schriftlich erwähnt wurde, gab es neben diesem Kirchdorf bereits ein Marktdorf gleichen Namens, das sich auf dem Bergrücken zwischen Wald- und Ziegelbach erstreckte, dem sogenannten „Stadtbuckel“.

Hier lag künftig auch der Siedlungsschwerpunkt des Ortes, der 1243 als „oppidum“, das heißt als Stadt, bezeichnet wird. Die Anfänge der Stadtmauer, deren eindrucksvolle Reste bis heute an vielen Stellen sichtbar sind, gehen bis auf diese Zeit zurück.

Einen wesentlichen Bedeutungszuwachs erhielt Gernsbach, als die Grafen von Eberstein zwischen 1262 und 1272 ihren Stammsitz auf die Burg Neueberstein, das heutige Schloss Eberstein, verlagerten. Als Hauptort der Grafschaft war die Geschichte der Stadt fortan eng mit dem Schicksal des Grafengeschlechtes verwoben. Nachdem Wolf von Eberstein seine Hälfte der Grafschaft 1387 notgedrungen an die Markgrafen von Baden hatte verkaufen müssen, gab es in Gernsbach ebersteinische und badische Untertanen, die untereinander nicht heiraten durften. Möglicherweise war die Stadt sogar räumlich in eine ebersteinische und in eine badische Hälfte geteilt. Dies änderte sich erst, als 1505 eine gemeinsame Herrschaft vereinbart wurde, bei der die Markgrafen von Baden das faktische Übergewicht besaßen.

Der so genannte Kondominatsbrunnen von 1511 auf der Hofstätte erinnert an diese Epoche der Stadtgeschichte. Als bleibendes Vermächtnis hinterließen die Ebersteiner die Einführung der Reformation im Jahre 1556. Während die baden-badischen Markgrafen bald wieder katholisch wurden, schützte die evangelische Linie der Ebersteiner den Protestantismus in Gernsbach. Seit 1640 ist die Liebfrauenkirche dem katholischen und die St. Jakobskirche dem evangelischen Gottesdienst gewidmet.

Das 16. Jahrhundert war für Gernsbacheine erste Blütezeit. Viel Geld in die Stadt brachte vor allem der Holzhandel der Murgschifferschaft, die sich 1488 ihr erstes Statut gab. 1583 waren die Gernsbacher in der Lage, sich von der bisherigen Leibeigenschaft freizukaufen. Vom damaligen Reichtum der Murgschiffer zeugt vor allem das Alte Rathaus mit seiner reich gegliederten Sandsteinfassade, das sich Johann Jakob Kast 1617/18 als repräsentatives Wohnhaus errichten ließ

1660 starben die Ebersteiner in der männlichen Linie aus. Ihr Erbe in Gernsbach trat der Bischof von Speyer als bisheriger Lehnsherr an. Der Alte Amtshof in der Schlossstraße, der bereits um 1556 als speyerische Amtskellerei errichtet worden war, weist bisin die Gegenwart auf den jahrhundertelangen Einfluss des Stiftes auf die Geschicke der Stadt hin. Erst 1803, als beim Reichsdeputationshauptschluss die geistlichen Fürstentümer säkularisiert wurden, gewann Baden den speyerischen Anteil an Gernsbach, so dass die Stadt nach mehr als 400 Jahren wieder unter einheitliche Herrschaft geriet. Wiederholt haben verheerende Brände in Gernsbach gewütet, so 1417, 1691 (als französische Truppen die Stadt anzündeten), 1787 und zuletzt 1798. Damals gab beim Wiederaufbau der badische Bauinspektor Friedrich Weinbrenner der Altstadt ihr im Kern noch heute gültiges Aussehen.Auch Hochwasser haben immer wieder Gernsbach heimgesucht, unter anderem 1824, als neben mehreren Häusern und Mühlenbetrieben auch das Hospital der Stadt von den Fluten fortgeschwemmt wurde.

Das 19. Jahrhundert begann für Gernsbach unter schwierigen Vorzeichen. Der Wald als bisheriger Hauptquelle des Wohlstands war weitgehend abgeholzt, auch wenn Oberforstmeister Friedrich Freiherr von Drais bereits Ende des 18. Jahrhunderts die Grundlagen für die Wiederaufforstung schuf. 1796 gründete er in Gernsbach die erste Forstschule Badens. Das ehemalige Forsthaus steht am Marktplatz unmittelbar neben dem Alten Rathaus. Sein Neffe Karl Drais unternahm 1817 von Gernsbach aus die erste Bergfahrt mit seiner Laufmaschine, dem Vorläufer des Fahrrads, nach Baden-Baden. Seit einigen Jahren trägt die Werkrealschule von Gernsbach den Namen dieses bedeutenden Erfinders. Bei der Badischen Revolution von 1848/49 bildete Gernsbach einen Brennpunkt des Geschehens. Als die preußischen Truppen am 29. Juni 1849 die Stadt nach heftigen Kämpfen einnahmen, war damit auch das Schicksal der in der Festung Rastatt eingeschlossenen Revolutionäre besiegelt.Dem Andenken der damals führenden GernsbacherAkteure Johann Karl Drißler, Wilhelm Grötz und Gustav Wallraff sind heute Straßen in der Nordstadt gewidmet.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bildete der Holzreichtum des Murgtalsdie Grundlage der Industrialisierung mit Werken der Holz- und sodann der Papierindustrie. Mit bedeutenden Werken der Spezialpapier- und Kartonfabrikation und der 1956 eröffneten, bundesweit einmaligen Papiermacherschule ist Gernsbach bis heute ein Zentrum der Papierindustrie. Daneben gewann ab dem späten 19. Jahrhundert auch der Fremdenverkehr wachsende Bedeutung.1869 erhielt Gernsbach mit der Stichstrecke von Rastatt Anschluss an das Eisenbahnnetz. Mit dem Gütertransport auf der Bahn kam der jahrhundertelange Holztransport auf dem Wasser zum Erliegen. 1913 wurde die Flößerei auf der Murgoffiziell eingestellt.

Im 20. Jahrhundert dehnte sich die Stadt vor allem auf der rechten Murgseite, wo zuvor nur die Bleich- und Igelbachstraße besiedelt gewesen war, immer stärker aus. Hier, in der Austraße, lag auch die 1928 erbaute Synagoge. Nach fortschreitender Entrechtung durch die NS-Diktatur wurden die letzten neun verbliebenen Gernsbacher Juden 1940 in das südfranzösische Lager Gurs verschleppt. An ihr Schicksal erinnert heute ein Denkmal an der Stadtbrücke. Nach dem Zweiten Weltkrieg schlossen1964 im Zeichen der Versöhnung mit dem einstigen Kriegsgegner das französische Baccarat (Lothringen) und Gernsbach eine Städtepartnerschaft. 1979 erhieltenbeide Städte die Europafahne des Europarats verliehen für die Verdienste um die europäische Freundschaft. Seit 2010 existiert eine weitere Partnerschaft Gernsbachsmit der italienischen Stadt Pergola (Marken).

Nachdem Scheuern bereits 1936 eingemeindet worden war, folgten zwischen 1971 und 1975 Lautenbach, Staufenberg, Obertsrot, Hilpertsau und Reichental. Damit verdoppelte sich die Einwohnerzahl. Im Landesentwicklungsplan (gemeinsam mit Gaggenau) als Mittelzentrum ausgewiesen, ist Gernsbach auch für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gut gerüstet.

Text: Wolfgang Froese, Gernsbach

Stadtchronik - Geschichtliche Eckdaten

Gernsbach blickt auf eine bewegte Vergangenheit zurück. Davon zeugen nicht nur die zahlreichen noch erhaltenen historischen Bauwerke in der Altstadt. In einem kurzen Streifzug durch die Geschichte Gernsbachs haben wir Ihnen die wichtigsten Fakten in Kürze zusammengestellt.

1085

Herrschaftsausbildung der Grafen von Eberstein in der Landschaft um Oos, Alb und Murg. Sie erhalten das Gebiet vom Domstift Speyer zum Lehen. Gleichzeitig Ansiedlung fränkischer Bauern auf Gernsbacher Gebiet (Viehzucht und Nutzung des Holzreichtums)

1219

Früheste urkundliche Erwähnung von Gernsbach als „Markt-und Kirchdorf“

1243

Gernsbach erhält einen eigenen kirchlichen Sprengel und wird dabei erstmals als Stadt („oppidum“) bezeichnet

1272

Erste urkundliche Nennung der Burg Neu Eberstein bei Gernsbach als neuem Stammsitz der Grafen von Eberstein

1387

Wolf von Eberstein verkauft seinen halben Anteil an Gernsbach an Markgraf Rudolf VII. von Baden. Beginn einer gemeinsamen Herrschaft („Kondominat“) über die Stadt

1417/1418

Ein Großbrand zerstört Gernsbach. Wiederaufbau und Bestätigung der alten Stadtrechte und Marktordnung

1488

Landesherrliche Regelung der Flößerei und des Holzhandels im Murgtal. Taufjahr der heute noch bestehenden genossenschaftlich organisierten Murgschifferschaft

1556

Die Reformation bringt mehrfachen Wechsel der Konfession für die Herrschaft und Bewohner der Stadt

1583

Befreiung der Gernsbacher von der Leibeigenschaft

1624

Durch Erbschaft erhalten die Grafen von Wolkenstein und Gronsfeld Einfluss auf die Herrschaftsverhältnisse in der Stadt

1660

Das Geschlecht der Grafen von Eberstein erlischt im Mannesstamm. Über die Herrschaft der Stadt streiten sich die Häuser Baden, Wolkenstein und das Domstift Speyer. Im Verlauf europäischer Erbfolgekriege wird Gernsbach mehrfach geplündert und gebrandschatzt

1784

Im neu gegründeten Oberforstamt Eberstein legt Oberforstmeister Friedrich Freiherr Drais von Sauerbronn Saatschulen an und beginnt mit der gezielten Wiederaufforstung der völlig abgeholzten Flächen. Diesem Ziel dient auch die von ihm 1796 in Gernsbach gegründete erste Forstschule Badens

1787/1798

Große Brände zerstören das mittelalterliche Bild der Altstadt. Ihr Wiederaufbau erfolgt nach Plänen des Karlsruher Architekten Friedrich Weinbrenner (1766-1826)

1803

Gernsbach gelangt ganz unter badische Verwaltung

1849

Am 29. Juni kommt es in der Endphase der deutschen Revolution zu einem entscheidenden Gefecht in der Stadt. Die siegreichen Bundestruppen besetzen Gernsbach. Bilanz: 29 Tote, viele zerstörte Häuser

1857

Gründung der Sparkasse Gernsbach. Beginn einer modernen Kapitalwirtschaft

1869

Eisenbahnverbindung Rastatt-Gernsbach ist fertig gestellt. Einsetzende Industriealisierung, Aufstieg als Fremdenverkehrsort

1881

Errichtung des Zellulosewerkes Schulz & Cie., heute Papierfabrik Schoeller & Hoesch. Es signalisiert das Geburtsjahr der Papier- und Pappenindustrie im Murgtal

1913

Die Murgflößerei kommt endgültig zum Erliegen

1928

Die Murgtaleisenbahn ist durchgängig von Rastatt bis Freudenstadt befahrbar

1936

Eingemeindung von Scheuern

1956

Eröffnung der ersten deutschen Papiermacherschule. Ausbau zu einem international tätigen Zentrum von Industrie und Staat für die Aus- und Weiterbildung im Fachbereich Papier, Zellstoff- und Wellpappen; Sitz der Baden-Württembergischen Papierverbände

1964

Begründung einer Städtepartnerschaft mit der französischen Stadt Stadt Baccarat (Lothringen)

1971

Eingemeindungen von Staufenberg (1971), Lautenbach (1973), Obertsrot/Hilpertsau (1974) und Reichental (1975)

1979

Verleihung der Europafahne für Verdienste um die deutsch-europäische Freundschaft

1997

Der Gernsbacher Tunnel (Umgehung) wird nach 4jähriger Bauzeit eröffnet. Bau eines Rehabilitations-Zentrums für Herz- und Kreislaufpatienten mit rd. 200 Betten. Umwandlung des Kreiskrankenhauses in eine Klinik für Geriatrische Rehabilitation

1998

Verleihung der Europaplakette des Europarates in Straßburg

2002

Eröffnung der Stadtbahnlinie (S 41) von Rastatt nach Forbach

2009

Salmengassen-Durchstich

2010

Begründung einer Städtepartnerschaft mit der italienischen Stadt Pergola (Marken)

2012

Fertigstellung des neuen Wohn- und Geschäftshauses Innenstadt-Mitte und Umgestaltung der Salmengasse und des Salmenplatzes

2015

50 Jahre Städtepartnerschaft mit Baccarat (Lothringen) in Frankreich

2015

Jubiläum 675 Jahre Reichental - großes Dorffest

2017

Jubiläum 750 Jahre Scheuern - Jubiläumsfest

2019

Festjahr "800 Jahre Gernsbach", erste urkundliche Erwähnung 1219

Kontakt

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Stadtarchivar Wolfgang Froese
St. Erhard-Str. 13
76593 Gernsbach
Telefon 07224 6570802
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Donnerstag: 8-12 Uhr, 14-18 Uhr
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Im Jahr 2019 feierte Gernsbach 800 Jahre seit der Ersterwähnung mit einem großen Jubiläumsjahr

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